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14.06.2023

Urteil: Unfallversicherungsschutz auch beim »Luftschnappen«

Urteil: Unfallversicherungsschutz auch beim »Luftschnappen«
www.istockphoto.com; edwardolive

Quelle/Text: www.arbeitssicherheit.de, Dr. jur. Kurt Kreizberg, Stand: 5.5.2023 (gekürzt).

Der Fall: Ein Arbeitnehmer hatte sich, als ihm keine konkrete Arbeit zugewiesen war, erlaubterweise in einem ausdrücklich ausgewiesenen Pausen- und Raucherbereich auf dem Betriebsgelände eines Unternehmens in Ludwigshafen aufgehalten, um Luft zu schnappen. Dabei fuhr ihn ein Gabelstapler an. Infolgedessen erlitt der Arbeitnehmer einen Bruch des Unterarms sowie eine Verstauchung (med.: Distorsion) des Kniegelenks. 

Die daraufhin aus einem Arbeitsunfall in Anspruch genommene Berufsgenossenschaft (BG) als Trägerin der gesetzlichen Unfallversicherung lehnte zuletzt mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2021 die Gewährung von Leistungen ab mit der Begründung, der verletzte Arbeitnehmer habe zur Zeit des Unfalls, also beim Luftschnappen während einer Arbeitspause, eine privatnützige Verrichtung ausgeführt. 

In der ersten Instanz noch obsiegte die BG vor dem Sozialgericht (SG) Mannheim. Das SG Mannheim hatte auch keinen Versicherungsschutz wegen einer spezifischen Betriebsgefahr gesehen, weil die Gefahr in dem Pausenbereich nicht höher gewesen sei als allgemein am Wohn- und Beschäftigungsort. Zudem habe sich der verletzte Arbeitnehmer dieser Gefahr freiwillig ausgesetzt. 

Der erste Senat des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg war im Berufungsverfahren hingegen Ende Februar 2023 anderer Auffassung: 

  • Sozialgericht Mannheim vom 27.05.2022 –S 2 U 1798/21-
  • Landessozialgericht Baden–Württemberg vom 27.02.2023 –L 1 U 2032/22-

Die Entscheidung: Das LSG Baden-Württemberg bejaht in seiner Entscheidung, im Gegensatz zur beklagten Berufsgenossenschaft und dem SG Mannheim als Vorinstanz, das Vorliegen eines Arbeitsunfalls mit dem Argument, es habe sehr wohl eine spezifische Gefahr vorgelegen.  

Die erhöhte Gefährlichkeit von Gabelstaplern gegenüber dem alltäglichen Straßenverkehr sei durch Untersuchungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) nachgewiesen und Gegenstand besonderer Unfallverhütungsvorschriften [DGUV-Information 208-004].

Ein Geschädigter, so das LSG in seinen Entscheidungsgründen weiter, dürfe darauf vertrauen, während einer gestatteten Pause, auch in einem vom Arbeitgeber ausgewiesenen Bereich, keinen gegenüber dem allgemeinen Leben erhöhten Gefahren ausgesetzt zu sein.