Risiken abschätzen Teil II
Im letzten Beitrag haben wir uns mit dem Grenzrisiko beschäftig. Für viele Gefährdungen liegen solche normierten Schutzziele oder Grenzwerte allerdings überhaupt nicht vor, zum Beispiel bei allen Formen der mechanischen Gefährdung.
Also müssen Sie spezielle Methoden zur Bewertung des Risikos anwenden. In der Sicherheitstechnik ist das Risiko als Produkt von Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadensausmaß definiert:
Risiko = Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung x Schadensausmaß der Gefahr
Das Risiko charakterisiert also die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schaden tatsächlich eintritt, sowie dessen Art und Schwere.
Die Eintrittswahrscheinlichkeit wird bestimmt durch
- die Häufigkeit und Dauer, mit der ein Gefährdungsereignis auftritt oder eine Person sich im Gefahrenbereich aufhält.
Also: Die eine Tätigkeit wird dauerhaft über mehrere Schichten ausgeführt, die andere nur einmal pro Woche für 10 Minuten.
- die Möglichkeit, dass eine gefährdete Person die Gefahr erkennen und ausweichen oder den Schaden begrenzen kann.
Also: Ich sehe unter bestimmten Umständen, dass ein Turm aus gestapelten Rollen umkippt und kann mich mit einem beherzten Sprung zur Seite in Sicherheit bringen. Einem spannungsführenden Teil sehe ich seine Gefährlichkeit jedoch nicht an und habe nicht mal eine theoretische Möglichkeit, einem Stromschlag auszuweichen.
- die statistische Wahrscheinlichkeit, dass die Gefährdung überhaupt eintreten kann.
Also: Im Winter ist die Wahrscheinlichkeit, dass es im Außenbereich glatt ist, statistisch höher als im Sommer.
Das Schadensausmaß beschreibt die Schwere der möglichen Verletzungen, die von leichten Schnitt- oder Schürfwunden bis hin zur tödlichen Verletzung mehrerer Personen reichen kann. Als mögliches Schadensausmaß müssen neben unmittelbar auftretenden Verletzungen (z.B. bei einem Unfall) auch Gesundheitsschäden (z.B. Handhabung von Lasten) sowie Spätfolgen wie Berufskrankheiten berücksichtigt werden.
Das Risiko in dieser Weise zu beurteilen ist wichtig, weil dies dazu zwingt, von der subjektiven Betrachtung des Einzelnen zu einer quasi-objektiven Betrachtung zu kommen. Dadurch wird die Beurteilung nachvollziehbar und man schaltet mehr oder weniger den Umstand aus, dass unterschiedliche Personen eine unterschiedliche Gefahrwahrnehmung haben.
Um zu unserem Beispiel »Gefährdung durch Schneiden« zurückzukommen:
- Im Bürobereich: Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist erwähnenswert, das Schadensausmaß ist es nicht.
- Im Wareneingang: Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist höher als im Bürobereich und es können Wunden entstehen, die sich aufgrund des allgemeinen Verschmutzungsgrades entzünden können.
- In der mechanischen Werkstatt: Die Eintrittswahrscheinlichkeit ist hoch und das Schadensausmaß ebenfalls.
In Fall 1 denken Sie nicht mal über Schutzmaßnahmen nach (wollen wir wirklich mit Schnittschutzhandschuhen am PC sitzen?), im Fall 2 vielleicht und im Fall 3 ganz bestimmt.
Letzter Beitrag: Risiken abschätzen Teil I
Nächster Beitrag: Schutzmaßnahmen festlegen